Wie wir die Welt wahrnehmen, ist individuell verschieden, unsere Sinne arbeiten als Wahrnehmungsfilter.
Machen Sie den Test!
Wenn Sie das nächste Mal Ihre Freunde vom vergangenen Urlaub berichten lassen, hören Sie genau hin: Was sagen sie, welche Beschreibungen, Eindrücke stehen im Vordergrund? – Vielleicht die tolle Aussicht, die Farben, die Blumen oder das Blätterrauschen, Wellenschlagen, die Stille oder die Wärme, die Mückenstiche, das Eintauchen in den kalten See oder der Lavendelduft, die Morgenfrische, der Meeresgeruch oder das leckere Essen, die Cocktails, der Geschmack von Salz in der Luft.
Verschiedene Personen können denselben Urlaub auf ganz unterschiedliche Art beschreiben.
Wahrnehmungsfilter | Die Welt und die Karte
Die NLP-Experten Joseph O’Connor und John Seymour gehen noch einen Schritt weiter und stellen die Existenz einer gemeinsamen Realität in Frage[1]:
„Die Welt, die wir wahrnehmen, ist nicht die reale Welt, das Gebiet. Es ist eine Karte, die durch unsere Neurologie hergestellt wird. Auf welchen Teil dieser Karte wir unsere Aufmerksamkeit lenken, ist weiterhin gefiltert durch Einstellungen, Interessen und Vorurteile.“
Die Wahrnehmung ist dabei nicht einmal die einzige Funktion der Sinne. Sie sind auch Grundvoraussetzung für unser Erinnern – s. die Urlaubsbeschreibungen oben – und damit des Denkens.
So ist eine wichtige Arbeitsgrundlage des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) die Tatsache, dass der Mensch sich durch das Wiedererleben der gemachten Sinneseindrücke erinnert. Er sieht, was er damals gesehen hat, hört die Geräusche erneut, spürt, was er gespürt hat und so weiter.
Da die Erfahrungen und Erinnerungen in ihrer ursprünglichen „Sinnhaftigkeit“ im Gehirn repräsentiert sind, werden sie im NLP auch Repräsentationssysteme genannt und mit VAKOG abgekürzt:
V = visuell = Sehen
A = auditiv = Hören
K = kinästhetisch = Fühlen/Spüren
O = olfaktorisch = Riechen
G = gustatorisch = Schmecken
VAKOG ist für alle, die mit NLP-Methoden arbeiten, der Weg, die Coachees in ihre Erinnerung zu führen. Die meisten Coaches konzentrieren sich auf die Hauptsinne VAK, das Riechen und Schmecken ist oft nicht entscheidend für die Repräsentation eines Erlebnisses.
Anwendung von Wahrnehmungsfiltern
Im Coaching
Für wahrnehmungsgeschulte Coaches sind die Sinne als Wahrnehmungsfilter, Erinnerungs- und Erfahrungsspeicher ein wichtiges Feld für den Umgang mit dem Gegenüber. Denn jeder Mensch hat ein bevorzugtes Repräsentationssystem.
Es ist entscheidend für Coaches, dieses beim Coachee zu kennen, um die gemeinsame Wellenlänge zu erreichen, denselben Ton zu treffen, den anderen an die Hand zu nehmen und auf seinem Lieblingsweg in die Erinnerung zu führen.
Manch visueller Mensch kann sich tatsächlich nicht an Geräusche in einer Situation erinnern, so oft ihn der Coach auch danach fragt. Dabei läuft seine Erinnerung wahrscheinlich fast über von grellen Farben, runden und kantigen Mustern, überdimensionalen Bildern.
Wahrnehmungsfilter im Beruf
Auch im alltäglichen Umgang von Menschen miteinander ist es hilfreich zu wissen, welchen „Lieblingssinn“ jemand hat. Gerade in der Berufswelt kennt jeder Beispiele vom stark visuell geprägten Controller, der so wenig Verständnis hat für den verspielten, kinästhetischen Designer – und umgekehrt. Genauso sind Texte dann besonders gut, wenn sie alle Sinne ansprechen, auch durch die Art der Sprache. Beispiele für entsprechende Wörter und Redensarten liefern O’Connor und Seymour zu Hauf[2].
Wie ein Mensch „tickt“, ist mehr oder weniger leicht zu sehen oder zu hören. Beispielsweise hat unser bevorzugtes Repräsentationssystem unsere Sprache „im Griff“ (der Experte wird alleine an dieser Formulierung schon eine kinästhetische Prägung des Autors dieses Textes vermuten).
Der visuelle Mensch verspricht „blühende Landschaften“, der Auditive bemängelt „schrille Farben“, eine vor allem kinästhetisch-geprägte Person hat einen „guten Eindruck“ von etwas.
Ausprägung von Filtern
Selbstverständlich ist keines der Systeme in Reinform zu finden, eines ist aber bei fast allen gesunden Menschen in Führung und leitet die Erinnerung ein. Wer auditiv geprägt ist, hört bei der Urlaubserinnerung zuerst das Wellenrauschen, sieht dann das Segelboot und spürt dann den Sprung ins Wasser. Bei den anderen Typen ist es entsprechend umgekehrt.
Sprache ist nicht der einzige Zugang zu den Repräsentationssystemen des Gegenübers, auch die Augen und der gesamte Körper sagen oft mehr als Worte. Wie diese zu erkennen sind und wie Sie spielerisch Ihre Wahrnehmung schulen können, lesen Sie im zweiten Teil des Artikels.
Das genaue Hinsehen, Zuhören und Nachspüren ist das A und O für alle, die mit Menschen arbeiten. Daher ist die Wahrnehmungsschulung auch ein Fokus unserer Coachingausbildung.
Die ersten Schritte als Coach können Sie mit unserem 3-Tage-Intensiv-Seminar „Coachingkompetenz“ gehen.