Sprache ist ein Nadelöhr, Gedanken werden durch Generalisierungen, Tilgungen und Verzerrungen so geformt, dass sie in Worte passen. Das ist gut so, denn würden wir jeden Gedanken so ausschweifend äußern, wie wir ihn im Kopf haben, würde Kommunikation nicht funktionieren. Wir müssen Informationen auswählen, andere also tilgen und den Gedanken vereinfachen, was oft bedeutet, ihn zu verzerren. Last but not least müssen wir generalisieren, denn nicht jede Einzigartigkeit jedes Gedankens lässt sich in allen Einzelheiten verständlich weiterverbreiten.
So wichtig Generalisierungen, Tilgungen, Verzerrungen in der Alltagskommunikation sein mögen, so sehr schränken sie Menschen ein, bis die Grenzen ihrer Sprache die Grenzen ihrer Wahrnehmung und ihrer Welt werden. Gerade Coaches müssen Generalisierungen, Tilgungen, Verzerrungen und ihre verschiedenen Unterformen erkennen und durch spezifische Fragen auflösen können. Nur so erhalten sie ausreichende Informationen, um den Coachee zu verstehen und können ihn auf einen Lösungsweg führen. Mit dem Meta-Modell der Sprache, dem ersten Modell der NLP-Gründer John Grinder und Richard Bandler, haben Coaches den Schlüssel zum tieferen Verständnis ihrer Coachees in der Hand.
Nach Joseph O’Connor und John Seymour „bietet das Meta-Modell Wahlmöglichkeiten. Alle Glaubenssätze, Universalia, Nominalisierungen und Regeln setzen Grenzen […]. Hinterfragen und die Folgen oder Ausnahmen herausfinden, kann weite Bereiche des Lebens erschließen. Einschränkende Einstellungen werden identifiziert und verändert.“
1. Tilgungen
Durch gezielte Fragen hilft der Coach dem Coachee, getilgte Informationen zu sammeln und sich bewusst zu machen.
a) Nominalisierungen
Jedes Substantiv, das wir nicht sinnlich erfahren können (anfassen, schmecken etc.), passt in die Kategorie der Nominalisierungen. Durch Fragen werden die dahinterliegenden Verben – und damit der Prozess, nicht das nominalisierte Ding – sicht- und veränderbar. Wenn jemand beispielsweise „umfangreiches Wissen“ hat, ist wichtig zu klären, was dieser genau weiß und wie er es weiß.
b) Unbestimmte Verben
Verben, denen das Adverb und weitere erläuternde Informationen fehlen, fehlt die gemachte Erfahrung, lässt die Situation im Unklaren. Einer Aussage wie „Er veränderte sich!“ gilt es mit Fragen nach dem „wie genau?“, „wodurch?“ „wann?“ und anderen auf den Grund zu gehen.
c) Unbestimmtes Subjekt, unbestimmter Inhaltsbezug, unbestimmtes Substantiv
„Man“, „Das“, „Die Leute“ sind starke Schlösser vor dem Weg zum eigentlichen Inhalt und Thema. Fragen nach dem „Wer genau?“ oder „Was genau?“ sind Schlüssel zur Klärung.
d) Vergleiche, Bewertungen, fehlender Bezug
Wenn ein Coachee der Meinung ist, er habe heute schlechte Arbeit geleistet, fehlt diesem Vergleich der Bezug, also „Schlechter als wer, schlechter als wann, was bedeutet schlecht?“. Das Wort „offensichtlich“ bewertet, ohne den Bewerter zu nennen und setzt gleichzeitig den Ansprechpartner herab, der das Offensichtliche offensichtlich nicht sieht. „Ich fürchte mich“ lässt die Frage nach dem „Wovor?“ offen.
2. Generalisierungen
Hier dienen die Fragen dazu, Verallgemeinerungen aufzulösen, das Spezifische einer Situation herauszuarbeiten, genauer zu unterscheiden.
a) Universalbezeichnungen, Verallgemeinerungen, universelle Quantifizierungen
Auch und gerade in Konfliktsituationen in Verknüpfung mit einem Vorwurf beliebt, da hohe Streitgarantie: Immer, nie, alle, keiner, jeder etc. pp. In diese Kategorie gehören auch Sätze wie „Fußballer sind dumm.“, „Frauen können nicht einparken.“, „Politiker sind korrupt.“ Die klärende Frage dreht die Universalbezeichnung um: „Wirklich alle?“, „Tatsächlich nie?“
b) Möglichkeiten, Notwendigkeiten
Was Menschen nicht können, nicht dürfen, aber sollen und müssen, folgt oft tiefer liegenden Regeln und Glaubenssätzen. Umso wichtiger ist es, auf „Ich kann nicht“ mit „Was würde passieren, wenn Sie es dennoch täten?“ oder „Wer oder was hält Sie davon ab?“ zu reagieren.
3. Verzerrungen
a) Ursache -> Wirkung
„Du machst mich wütend“ ist nicht nur ein hilfloser Vorwurf, sondern ist ein guter Teil Selbstaufgabe, denn wer so argumentiert, gibt anderen umfassende Macht über die eigene Person und Emotion. Von besonderer Bedeutung ist daher, die genauen Zusammenhänge zu prüfen und zum Beispiel zu fragen, wie genau das eine das andere verursacht.
b) Gedanken lesen, Vorannahmen
„Jeder glaubt, ich…“, „Er müsste doch eigentlich wissen, dass…“, „Du magst mich genauso wenig wie Deine Mutter…“ – sind Mutmaßungen, Halluzinationen oder Projektionen, die konkrete Fragen hervorrufen, zum Beispiel „Woher weißt Du, was jeder glaubt?“ oder „Was führt Dich zu der Annahme…?“.
c) Verlorene Zitate, Glaubenssätze
Beispiele für diese Kategorie sind: „Es gibt nur einen Weg!“, „Wenn alle Stricke reißen,…“, „Männer weinen nicht.“ Hier ist wichtig zu hinterfragen, was denn genau damit gemeint ist bzw. wer etwas sagt oder derartig betont.
Auch wenn erfolgreiche Coaches durch ihre geschulte Wahrnehmung deutlich mehr Kommunikationsmittel nutzen als das „Nadelöhr Sprache“, gehört das gesprochene Wort doch zu den wichtigen Medien in einer Coaching-Beziehung. Daher müssen sie Generalisierungen, Tilgungen und Verzerrungen erkennen und durch gezielte Fragen aufzulösen können. Hierzu spielt neben dem Lernen die Erfahrung der Anwendung eine große Rolle. Daher stehen Theorie und Praxis bei der Coachingausbildung-Akademie auf einer Stufe.