„Ich habe Dir doch schon hundertmal gesagt…“ – Ein Verhalten von Kollegen, Mitarbeitern, Partnern, Freunden stört massiv. Aber alle Gespräche dazu bringen offensichtlich nichts, vor allem keine Verbesserung. Meistens geschieht das Gegenteil: Der Kritisierte „sammelt“, was Sie ihm geben und wird bei nächster Gelegenheit ein mindestens ebenso großes Fass aufmachen. So wie Kritik üblicherweise geübt wird, ist das kein Wunder. Zeit für gehirngerechtes Feedback – ein so einfaches wie wirkungsvolles Coachingtool, das auch in alltäglichen Arbeits- und Lebensbeziehungen wunderbar anzuwenden ist.
Der „Klassiker“ ist nicht klasse
„Klassische“ Kritik ist vorwurfsvoll, gespickt mit Unwörtern wie „immer“ oder „nie“. Sie ist kurz und heftig vorgetragen, damit das Thema endlich erledigt ist. Forscher haben „in der Röhre“ festgestellt, was ein Vorwurf im Gehirn auslöst: Stille, nur das Stammhirn arbeitet, in direkter Verbindung mit dem Rückenmark. Der Kritisierte reagiert mit drei Strategien: Totstellen, Weglaufen, Angreifen. Nichts ist geeignet, das Verhalten zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern. Im Gegensatz dazu sind bei einem Lob 70 Prozent des Hirns aktiv, vor allem die Lernareale im Kurz- und Langzeitgedächtnis.
Sollen Sie nun alles, was Sie am Anderen nervt, in positive Worte packen „wegloben“? Nein! Denn Lob funktioniert nur, wenn es ehrlich ist und von Herzen kommt. Vor allem muss es bedingungslos sein. Mit dem Wörtchen „aber“ direkt nach einem Lob aktivieren Sie schneller die Reflexe des Totstellens etc. als der Arzt mit seinem Hämmerchen den Kniereflex auslösen kann.
Nur das hirngerechte Feedback wirkt wirklich.
Es hat die 4:1-Formel (manche Schulen halten ein 3:1 für ausreichend): Auf vier ehrliche lobende Botschaften kommt ein Thema, bei dem Sie sich Veränderung bei dem Gesprächspartner wünschen. Idealerweise ist die Veränderungsbotschaft im Gespräch eingebettet in die lobenden Aussagen.
Feedbackgespräche benötigen Zeit und Vorbereitung. Der Aufwand ist es wert, verglichen mit dem Nicht-Nutzen bzw. dem Schaden der bisherigen Kritik für die Nerven und die Beziehungsqualität, ohne dass das Problem gelöst wäre. Daher sollten Sie sich auf das Feedbackgespräch vorbereiten:
- Klären Sie mit sich selbst, welche Verhaltensweise tatsächlich so störend ist, dass sie den Aufwand wert ist.
- Werden Sie sich bewusst dass Sie eine Verhaltensänderung erwarten und nicht Frust ablassen wollen.
- Nutzen Sie die Gelegenheit, drei bis vier echte lobende Botschaften für den anderen zu finden, Sie lernen Freunde, Kollegen, Mitarbeiter, Partner noch einmal ganz anders kennen.
- Geben Sie Feedback nur, wenn der andere dazu auch aufnahmebereit ist. Vielleicht hat er gerade einen eiligen Auftrag zu erledigen oder privaten Stress, der die Situation unpassend macht. Fragen Sie: „Darf ich Dir ein Feedback geben?“ Akzeptieren Sie ein „Nein!“ und verabreden Sie sich für einen anderen Zeitpunkt.
WWW – das wirkt wirklich!
Die ideale Formel, das kritische Thema anzusprechen, lautet WWW – Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch:
- „Ich habe wargenommen…“: Beschreiben Sie ohne Wertung eine konkrete Situation, in der das störende Verhalten besonders deutlich geworden ist. Der andere muss sich daran erinnern können. Wenn nicht: Nehmen Sie eine andere treffende Situation. So wird aus einem „Immer kommst Du zu spät!“ ein „Bei den vergangenen drei Teammeetings, die um 9 Uhr beginnen, kamst Du um 9.15 Uhr!“
- „Das hat auf mich xxx gewirkt.“ Machen Sie klar, wie dieses Verhalten bei Ihnen ankommt und dass es Sie persönlich (be-)trifft. Möglichkeiten: „Es wirkt auf mich, als sei das Teammeeting nicht wichtig für Dich. Ich frage mich, ob Du meine Führungsrolle nicht ernst nimmst…“
- „Ich wünsche mir…“ Mit den beiden ersten W als Herleitung kommt der Wunsch wie von selbst. In unserem Beispiel ist Pünktlichkeit erwünscht. Ein Feedback in dieser Gesprächskultur lässt aber auch andere Ausgänge zu. Vielleicht gibt es bei der unpünktlichen Person eine Veränderung in der Lebenssituation, die eine Verschiebung des Teammeetings um eine viertel Stunde – in Absprache mit dem ganzen Team – sinnvoll erscheinen lässt (neuer Stundenplan für das Kind, Anreiseprobleme, regelmäßiger Arzttermin). Selbst solch banale Lösungswege sind verstellt, wenn das Gespräch klassisch beginnt: „Immer kommen Du zu spät. Wenn das noch einmal passiert…“
Das Leben ist kein Wunschkonzert
Auch bei einem idealen Feedbackgespräch muss klar sein: Nicht jeder Wunsch ist für jeden erfüllbar. Sie dürfen jeden Wunsch äußern, ein Recht auf Erfüllung gibt es nicht. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
- Die Arbeits- und Lebensbeziehung zu der Person ist Ihnen wichtiger. Stellen Sie den Wunsch in Frage und nehmen Sie möglicherweise davon Abstand.
- Ihr Wunsch ist essenziell für die Arbeits- und Lebensbeziehung. Stellen Sie die Beziehung in Frage und lösen Sie sie bei Bedarf auf.
Feedbackgespräche nach dem www-Prinzip sind ein grundlegendes Coachingtool und Kern der Gesprächskultur im Rahmen der Schulungen und Studiengänge der Coachingausbildung-Akademie.
