Um sich in der Welt zu verorten, deuten Menschen, was um sie herum passiert und welchen Bezug diese Ereignisse zu ihnen haben. Dies geschieht selten bewusst und durchdacht. Die Deutung ist meist schnell, unbewusst und kaum steuerbar. Verschiedene Schulen von Soziologie, Philosophie und Psychologie halten die Wahrnehmung selbst bereits für Deutung – im NLP ist die Rede von „Filtern“, von „unserem Modell der Welt“. Objektive Wahrnehmung scheint so unmöglich. Wir sehen die Welt durch die Brille unserer Einstellungen, Überzeugungen, Glaubenssätze.
Nach Joseph O’Connor und John Seymour sind Glaubenssätze „oder Einstellungen (beliefs) […] unsere Leitprinzipien, unsere inneren Karten, die wir benutzen, um der Welt Sinn zu verleihen. Sie geben uns Stabilität und Kontinuität. […] Ereignisse werden im Sinne dessen, was man glaubt, im Sinne der Einstellung interpretiert, und Ausnahmen bestätigen die Regel.“
Die rosarote Brille
Volksmund und Alltagspsychologie kennen viele Aspekte von Glaubenssätzen. Sie unterstellen den Verliebten, „alles durch eine rosarote Brille zu sehen“, geben den Rat, dass es „so aus dem Wald schallt, wie man hineinruft“, erkennen einen „Placebo-Effekt“ oder das „Rote-/Grüne-Ampel-Symptom“: In der Euphorie des Verliebtseins nehmen wir die Umwelt deutlich positiver wahr als sonst. Wenn wir Freude ausstrahlen, begegnen uns andere offensichtlich freundlicher. Traubenzucker wirkt wie ein High-Tech-Medikament, wenn Ärzte es glaubhaft als Wundermittel verabreichen. An schlechten Tagen scheint die Mehrzahl der Ampeln auf dem Weg zur Arbeit rot zu leuchten, an guten Tagen eher grün, objektiv ist das Verhältnis immer gleich.
Glaubenssätze sind tief verwurzelt in unserem Inneren. Sie sind das Exzerpt unserer Erziehung, unserer Erfahrungen – positiven genauso wie negativen und sogar traumatischen – sowie der Versuche, so zu sein wie unsere Vorbilder.
In dem von Seymour und O’Connor vorgestellten Modell der logischen Ebenen von Robert Dilts zur Beschreibung persönlicher Veränderung, des Lernens und der Kommunikation nehmen Glaubenssätze eine der tiefsten Ebenen ein. Noch stärker im Selbst verwurzelt sind „nur“ noch die Identität, also das grundlegende Selbstbild und die Spiritualität, also die Ebene der metaphysischen Fragen wie die nach dem Sinn des Lebens.
Identität und Prägung
Entsprechend sind die stärksten Glaubenssätze diejenigen, die die Identität betreffen. Sie beeinflussen ganze Lebensläufe. Wer von Kindesbeinen an gelernt, erfahren und als Glaubenssatz verankert hat, dass er/sie immer erreicht, was er/sie sich vornimmt, wird anders agieren, anders kommunizieren und sich anders entscheiden als der/die von Glaubenssätzen wie „Ich bin Opfer“ oder „Ich verdiene Erfolg nicht“ Geprägte.
Oft sind die tiefsten Überzeugungen die ältesten. Je jünger ein Mensch ist und je weniger Erfahrung er hat, umso mehr glaubt er, was Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen vermitteln. Manche dieser Glaubenssätze überdauern ein Leben lang und halten sogar gegenteiligen Erfahrungen stand. Der Erfolgsmensch interpretiert Misserfolge anders als der Opfer-/Verlierertyp. So kann das oberflächliche „Rote-/Grüne-Ampel-Symptom“ zu einem Lebensprinzip werden.
Wie geht ein Coach mit Glaubenssätzen um?
Obwohl gerade die identitätsstiftenden, tief verankerten Glaubenssätze oft unbewusst sind, können professionelle Coaches sie erkennen. Ein Zugang ist das Verzerrungen, Tilgungen, Generalisierungen auflösende Meta-Modell der Sprache. Die exakte Wahrnehmung der Antworten auf die Fragen „Wie sagt ein Coachee etwas?“ bzw. „Was sagt er nicht?“ und „Wozu sagt ein Coachee nichts?“ öffnet den Weg in das Innenleben der Person. Einleitungen wie „Das hört sich verrückt an, aber…“ oder „Ich kann einfach nicht“ sind Indikatoren für innere Hindernisse, die auf einschränkenden Glaubenssätzen beruhen.
Überzeugungen, Einstellungen, Glaubenssätze sind nicht nur erkennbar, sie lassen sich auch verändern. Ein Schlüssel ist wieder die Sprache. Wer sich im Geiste ständig tadelt, lebt anders als der sich Lobende. Wer Verluste als „ich“ erlebt, Erfolge aber als „man“, gibt sich selbst weniger Chancen. Wer „versucht zu tun“, „tun will“ oder „gerne tun würde“, agiert und lebt anders als derjenige, der „tut“.
Teilemodelle wie Reframing, Veränderungsarbeit durch Repräsentationen mit (Raum-)Ankern genauso wie das „Change history“ mit der Überzeugung des NLP, dass es nie zu spät ist für eine glückliche Kindheit, sind Beispiele erfolgreicher Methoden, einschränkende Glaubenssätze aufzulösen, ohne deren positive Grundabsicht aufzugeben. Sie sind fester Bestandteil der Ausbildungen von coachingausbildung-akademie.de.